Der Wiederaufbau der zerstörten Gebäude in der Elisabethenstraße und Landgraf-Philipps-Anlage war durch Pragmatismus gekennzeichnet. Die Not der Nachkriegszeit machte bescheiden. Wo es an allem fehlte, konzentrierte man sich auf das Wesentliche. Im Fall der Firma Klein hieß das: Wohnraum schaffen für Tausende von Darmstädtern, die kein Dach mehr über dem Kopf hatten. So schnell und unbürokratisch es ging.
Die Familie entschloss sich, den Wohnsitz Elisabethenstraße 70 aufzugeben. Sie errichtete für sich aus den Ruinen des Hauses Nr. 68 ein neues, schlichtes Wohnhaus. Großbürgerliche Zimmerfluchten mit Flügeltüren und Stuckdekor gehörten nun der Vergangenheit an. Stattdessen wurde aus dem ehemaligen Familiensitz ein funktionales Mietshaus. Es wurde zusammen mit den angrenzenden Grundstücken Nr. 72 und 74 bis zur Landgraf-Philipps-Anlage Nr. 58 1/2 als Block bebaut. Die Firma Wilhelm Klein kooperierte dafür vor Ort mit den großen Wohnungsunternehmen in Darmstadt: dem Bauverein für Arbeiterwohnungen, dem Bauverein Daheim und dem Sozialwerk für Wohnung und Hausrat. 32 moderne Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen entstanden - Wohnraum für 60 bis 100 Menschen. Die Stadt feierte das Projekt als beispielhaft für die Zusammenarbeit zwischen privaten Eigentümern und Wohnungsgesellschaften. In einer Zeit, in der immer noch Tausende Einwohner zusammengedrängt in Provisorien leben mussten, geriet jede Grundsteinlegung und jedes Richtfest zu einem Fest der Hoffnung.
Rede von Hanns Nothhelfer zum Richtfest am 18. Juli 1951
"Männer vom Bau! Sehr verehrte Gäste!
Als vor ca. 50 Jahren der Gründer der Firma Wilhelm Klein mit seinen beiden Söhnen die Grundstücke Elisabethenstraße 72 bis Landgraf-Philipps-Anlage 601/2 erwarb und in den darauf folgenden Jahren diese Häuser erbaute, hatten diese Herren nicht die Absicht, durch Erwerb von Haus- und Grundbesitz ihre Vermögenslage zu verbessern, sondern sie waren von Gedanken getragen, für ihre Belegschaft in den ruhigen Wintermonaten Arbeit zu schaffen. Als ich nun vor einem Jahr vor die Frage gestellt wurde, diese Ruinen wieder aufzubauen, entschloss ich mich, nach der Idee des Herrn Stadtrat Dr. Holzmann mit dem Bauverein für Arbeiter-Wohnungen ein Arrangement zu treffen, durch welches es möglich war, 32 Wohnungen zu beschaffen und damit zur Linderung der Wohnungsnot in unserer Stadt beizutragen. Das Haus Elisabethenstraße 70, das allein 12 Wohnungen enthält, habe ich in eigener Regie aufgebaut.
Ich habe den Betriebsrat der Firma Wilhelm Klein, einige Arbeiter und Angestellte zu dieser Feier eingeladen, um ihnen bekannt zu geben: Die Hofreite der Firma Klein ist wieder in Ordnung. Das Stammhaus Elisabethenstraße 68 steht, das Haus Elisabethenstraße 70 steht, anstelle der Thurn- und Taxis‘schen Stallungen in der Hügelstraße 87 steht ein stabiles Lagerhaus und anschließend eine moderne Kalklöscherei. Die Einwirkungen des Krieges sind in dieser Hinsicht durch uns überwunden und wir können gemeinsam mit Stolz auf unsere bisherigen Leistungen blicken. All dies stellt keine Bereicherung der einzelnen Person dar, sondern es soll ausschließlich der Sicherung und Untermauerung des Arbeitsplatzes und der Existenz meiner Arbeiter und Angestellten dienen. Wir erkennen hinsichtlich dieser Tatsache, dass all unser Planen und Berechnen sinnlos ist, wenn sich nicht fleißige und geschickte Hände finden, welche diese unsere Ideen in die Tat umsetzen.
Ich konnte mit Freude feststellen, wie die Arbeiter von drei namhaften Firmen im Wetteifer sich bemühten, dieses Bauvorhaben in schnellster Zeit durchzuführen und die Zimmerleute dem Ganzen die Krone aufsetzten. Ich bitte Sie deshalb alle, die Sie am Gelingen dieses Projektes – sei es durch Planung, durch Sicherung der Finanzierung oder durch Lieferung beteiligt waren – besonders aber alle diese fleißigen Arbeiter, meinen herzlichsten Dank für Ihre Mühe entgegenzunehmen. Ich verbinde meinen Dank mit dem Wunsch, dass Ihre und unsere Arbeit zum Wohle aller Beteiligten und zum Segen der zukünftigen Bewohner geleistet wurde. Ein Meisterstück ist erstanden und wir wollen uns in diesem Feste darüber freuen."