Eine Dame aus gutem Hause

LUISE KLEIN, GEB. HAGER (1875-1966)

Luise Hager

Das Foto zeigt ein schönes Paar. Philipp Klein wirkt sichtlich stolz, diese anmutige, ein wenig ernste junge Frau aus gutem Hause für sich gewonnen zu haben. Er heiratete Luise Hager am 18. November 1901. Sie stammte aus einer angesehenen Darmstädter Familie von evangelischen Pfarrern und Geistlichen, deren Verbindungen bis zur Familie Battenberg auf Schloss Heiligenberg reichten. Luises Onkel, Dr. Heinrich Hager, war Pfarrer und der Erzieher der Kinder von Alexander von Hessen und bei Rhein und dessen Frau Julia Fürstin von Battenberg gewesen.

Verlobungsfoto Philipp und Luise Klein (1901)
Luise Hager und Philipp Klein bei ihrer Verlobung 1901.

Auch Luise wurde evangelisch erzogen und auf ihre Rolle als Dame in einem bürgerlichen Hause vorbereitet. Sie hatte Stil und tadellose Manieren. Luise brachte damit genau die Qualitäten mit, die dem Hause Klein Eleganz und Kultiviertheit verleihen sollten. Dabei war sie freundlich, ohne formell zu wirken. So wird sie bis heute geschildert. Mit ihrer Herzlichkeit, Sanftheit und leisem Humor bildete sie jahrzehntelang das Zentrum der Familie Klein.

Barbara und Wilhelmine an der Nordsee (1922)
Luise Klein (Mitte) mit ihren Töchtern und Nichten in der Sommerfrische auf Borkum. Philipp Klein schickte "seine Frauen" im Sommer gerne auf Reisen, um in Ruhe das Haus zu renovieren.

Liebevolle Mutter und Tante

Luise Klein ging ganz in ihrer Rolle als Gattin und Mutter auf. Ihre Güte und Zärtlichkeit schafften einen Ausgleich zu Philipp, der die gemeinsamen Töchter zuweilen etwas streng behandelte. Luise hatte Verständnis für ihre verträumte älteste Tochter Elisabeth, ebenso wie für ihren kleinen Wildfang Barbara. Sie kümmerte sich hingebungsvoll um ihre Nichten Luise und Wilhelmine, den Töchtern von Philipps Bruder Heinrich. Dessen Frau war schon früh in die Heilanstalt in Goddelau eingewiesen worden. Luise nahm die Mädchen unter ihre ständige Obhut. Wenn Philipp „seine Frauen“ im Sommer zur Erholung an die Nordsee schickte, fuhren Heinrichs Töchter selbstverständlich mit.

Klassische Arbeitsteilung

Während Philipp Klein den Malerbetrieb an die Spitze der Darmstädter Wirtschaft führte, schuf Luise das standesgemäße Heim und überwachte die Erziehung der Kinder. Zeichnen, Handarbeiten, Klavierspiel und religiöse Unterweisung gehörten zu ihrer Ausbildung als höhere Töchter, obwohl sich das Rollenbild der Frau inzwischen zu ändern begann. Im Kontext des Familienbetriebes stand fest, dass Elisabeth und Barbara fähige Schwiegersöhne ins Haus bringen würden, um die Firmennachfolge zu sichern. Bis dahin sollten sie einen Beruf erlernen, der für den Betrieb nützlich war: Kontoristin. Elisabeth musste ihren Traum, Handarbeitslehrerin zu werden, aufgeben. Die Familienräson war ein unantastbarer Wert. Und Firma und Familie waren eins.

Gute Seele der Familie

Luise Klein war eine Frau mit feiner Beobachtungsgabe und einem Sinn für Komik. In den Briefen an ihre Familie scheint dies immer wieder auf. „Die Kurgäste hier sind wohl meistens Rheinländer, unter sich lebhaft, nach außen steif. Am meisten amüsieren mich die gut aufgetakelten alten Herren mit ihren leuchtenden Glatzen,“ beschrieb sie einen Kuraufenthalt in Wiesbaden-Schlangenbad. Ihrem Schwiegersohn Hanns Nothhelfer war sie sehr zugetan. Sie vertraute dessen unternehmerischen Qualitäten vollständig, als dieser nach dem Tode Philipp Kleins die Firmenleitung übernahm. „Aus deiner ganzen Geschäftsführung sehe ich aber auch, wie viel Schwierigkeiten Dir der gute Opa mit seinen altmodischen Ideen früher machte!“ kommentierte sie verständnisvoll die neue Linie Nothhelfers, die sich von der ihres Mannes, dem "Opa", unterschied. „Aber denke bitte auch an deine Gesundheit“, riet sie augenzwinkernd, „sonst geht es Dir eines Tages wie den Herren hier im Sanatorium, die jeden Donnerstag einen Obsttag verordnet bekommen.“

Verehrte „Senior-Chefin“

Obwohl sie keine aktive Rolle im Betrieb übernahm, war sie dennoch präsent. In den täglichen Begegnungen auf dem Hof, in den Werkstätten und bei den Firmenfesten erlebten sie die Mitarbeiter immer zugewandt und interessiert. Sie merkte sich Namen von Kindern und Ehefrauen und erinnerte sich an Krankheiten der Beschäftigten. So flog ihr die Zuneigung der Belegschaft zu, die sie bis zu ihrem Tod als „Senior-Chefin“ verehrte. Das letzte Foto zeigt Luise Klein an ihrem 90. Geburtstag. Ihr zu Ehren haben sich noch einmal im Saal der Firma Klein alle versammelt: Familie, Geschäftsführer und Bauleiter, städtische Honoratioren und Geschäftsfreunde. In ihrer Mitte sitzt Luise Klein, leise lächelnd, die gute Seele der Familie und der Firma Wilhelm Klein.

Luise Klein 90. Geburstag Gruppenbild
Luise Klein feierte ihren 90. Geburtstag 1965 im Kreise von Angehörigen, Mitarbeitern und Geschäftsfreunden im Festsaal der Firma Wilhelm Klein.