Der Helfer in der Not

HANNS NOTHHELFER (1899-1962)

Porträt Hanns Nothhelfer

Bis zur Zerstörung des Firmengeländes beim Fliegerangriff auf Darmstadt 1944 hatte Hanns Nothhelfer nicht daran gedacht, in das Unternehmen einzutreten. Er war 45 Jahre alt und ein erfolgreicher Handelsvertreter. Er arbeitete für die Hildebrandt Rheinmühlenwerke und führte zusätzlich einen Lebensmittel-Großhandel. Zu seinen Kunden zählten Südzucker und Wolf Bergstraße. Doch die Brandnacht änderte alles.

Hanns Nothhelfer wurde klar, dass er seinen über 70jährigen Schwiegervater Philipp Klein mit der Bürde des Wiederaufbaus nicht allein lassen konnte. Familienzusammenhalt war für den ältesten Sohn eines katholischen Bahnbeamten ein ehernes Gebot. Seine vielfältigen Geschäftsverbindungen waren von unschätzbarem Wert, denn die Firma Klein stand nach der Zerstörung des gesamten Firmenvermögens vor dem Nichts.

Kein einziger Pinsel

„Die große Firma Klein hatte keine einzige Weißbinderbürste, keine Pinsel und nichts. Ja sie wurde auf die ausgestreuten Gerüchte hin nicht einmal von den bisherigen Freunden mehr beliefert. In dieser Zeit bat mich dein Großvater (Philipp Klein), in das Geschäft einzutreten. Ich verkaufte damals meinen Schmuck, Foto usw. – alles, was ich zu Geld machen konnte, bekam von meinen Freunden in der Reichsmarkzeit große Mengen Leder und Lederwaren und alles steckte ich in das Geschäft, um die notwendigen Werkzeuge usw. zu bekommen. Mit Lebensmittelzuweisungen brachte ich die damals 60 Arbeiter, welche abwandern wollten, so weit, dass sie blieben. Ich habe Tag und Nacht und sehr oft mit der Schippe in der Hand gearbeitet, um zu retten, was noch da war. Meine ersten 40 D-Mark, welche ich zum Lebensunterhalt erhielt, benutzte ich, um den beschädigten Lkw reparieren zu lassen. Meine ersten D-Mark-Provisionen aus meinem Vertretergeschäft steckte ich in die Firma“, beschrieb Nothhelfer 1955 die Situation seiner Nichte Johanna Klein.

Bauleiter (1948)
Hanns Nothhelfer (re.) mit den Jubilaren und Werkführern von 1948. Auf den Fleiß und die Treue dieser Männer stützte er den Wiederaufbau der Firma Klein.

Darmstadt wieder aufbauen

Als Heinrich Klein 1948 offiziell aus dem Betrieb ausschied, machte sein Schwiegervater Philipp Klein ihn zum Teilhaber. Beide Männer verband der Wille, die Firma und ihre Heimatstadt wieder aufzubauen. Ohne Fahrzeuge und mit einem reduzierten Arbeiterstamm musste die Firma Klein ihre Kräfte bündeln. So konzentrierte sich Nothhelfer auf den wichtigsten Markt: Darmstadt und Rüsselsheim. Die Filiale in Frankfurt wurde geschlossen. Nach und nach, mit der Heimkehr der Soldaten, konnte die Belegschaft wieder aufgestockt werden. Es erforderte Nothhelfers ganzes Geschick und seine guten Beziehungen, um Holz für Gerüste, Kalk und Sand für die Herstellung von Mörtel und Zement oder Farbpigmente und Pinsel zu bekommen. Doch obwohl es an allem mangelte, die Lebensmittelrationen nie ausreichten und die Stadt einem Trümmerfeld glich, fühlte sich Nothhelfer in seinem Element. Improvisieren und Organisieren waren seine Stärken, und es machte ihm Spaß, mit Charme und Eloquenz Menschen für seine Ziele einzuspannen.

Die Dynamik des Wirtschaftswunders

Die Wohnungsnot war das alles beherrschende Thema. Nothhelfer stellte die Weichen neu. Er suchte die Zusammenarbeit mit den Wohnungsgesellschaften und investierte selbst. 1951 konnte endlich Richtfest in der Elisabethenstraße 72 gefeiert werden: Aus den ehemaligen großbürgerlichen Wohnhäusern, die sich bis zur Landgraf-Phillips-Anlage erstreckt hatten, wurden einfache 2- bis 3-Zimmerwohnungen für bedürftige Darmstädter. Es ging wieder aufwärts. Die Dynamik der 50er Jahre trieb das Unternehmenswachstum voran. 1956 lagen die Umsätze der Firma Klein bereits bei 3,5 Millionen DM. Und am Ende der „Wirtschaftswunderjahre“ hatte die Firma Wilhelm Klein den Wiederaufbau Darmstadts maßgeblich mitgestaltet und war wieder der größte Maler- und Trockenbaubetrieb der Region.

Hausball (1952)
Ein Hausball im Hause Klein: Hanns Nothhelfer dort, wo er sich am wohlsten fühlte - umgeben von Damen in fröhlicher Runde.

Fernweh, Spaß und Optimismus

Hanns Nothhelfer verstand nichts vom Malerhandwerk, dafür umso mehr von Betriebswirtschaft und Marketing. Er gab dem neuen Handwerksbetrieb Wilhelm Klein ein modernes Gesicht und baute nachhaltige, stabile Kundenbeziehungen auf. Der Wohlstand wuchs und Nothhelfer wusste ihn zu genießen. Als Bonvivant waren guter Wein und gutes Essen seine Leidenschaft. Jedes Jahr stand ein neuer Opel Kapitän auf dem Betriebshof. Und mit seiner Tochter Luisa machte er ausgedehnte Reisen in die europäischen Metropolen.  Das Lebensgefühl der 50er Jahre – Fernweh, Spaß und Optimismus – entsprach ganz Hanns Nothhelfers Naturell.

Mit Elan lenkte er die Firma durch die Nachkriegszeit. Doch wie sein Schwiegervater Philipp Klein nahm er auf seine Kräfte und seine Gesundheit keine Rücksicht. Nach kurzer Krankheit starb Hanns Nothhelfer überraschend am 11. Dezember 1962 in Darmstadt.