Luisa Haldy erinnerte sich gern an ihre Kindheit und Jugend. Sie war die Urenkelin des Firmengründers Wilhelm Klein und die Bewahrerin der Familiengeschichte. 1937 geboren, konnte sie als letzte noch aus eigener Anschauung über die Zeit vor der Zerstörung des Firmengeländes im September 1944 berichten. Ihre Erinnerungen an den verheerenden Bombenangriff sind auf der Seite "Brandnacht" nachzulesen.
Als einziges Kind von Barbara und Hanns Nothhelfer wuchs Luisa Haldy im Haus Elisabethenstraße 70 auf. Der Firmensitz war für sie ein einziger großer Spielplatz. Zusammen mit ihren Cousinen Sybille und Johanna und ihrem Cousin Günther düste sie auf dem Dreirad durch die langen Zimmerfluchten der Wohnung. Der Hof und der Garten waren ihr Revier. Hier konnte man in den Lagerräumen herrlich Verstecken spielen, die Hühner im Garten füttern oder die Kaltblüterpferde im Stall besuchen, die ihr Großvater Philipp Klein so liebte. Es war eine fröhliche und glückliche Zeit – trotz des Krieges.
Zu Luisas frühesten Erinnerungen gehörte eine Theateraufführung von Peterchens Mondfahrt, die damals viele Darmstädter Kinder besuchten. Die Familie hatte eine Dauerloge im Residenztheater. Luisa verfolgte aufmerksam das Geschehen unten auf der Bühne, als plötzlich der Nikolaus zu ihr hochgeschwebt kam, sie freundlich anlächelte und winkte. Das kleine Mädchen war überwältigt!
Es verstand sich von selbst, dass Luisa Haldy im Betrieb mitarbeiten würde. Auf Wunsch ihres Vaters begann sie 1954 eine Stuckateur-Lehre und provozierte damit eine kleine Sensation. Bis dahin hatte es in Hessen – und wahrscheinlich deutschlandweit – noch keine Frauen in diesem Beruf gegeben. Als sie ihre Lehre als Innungsbeste abschloss, erregte sie großes Medieninteresse. Bald erschien das Bild von einem hübschen, blonden Mädchen im weißen Arbeitsanzug in fast allen Tageszeitungen. Ein Boulevardblatt titelte: „Woll’n wir wetten? sagte Luisa – dann schleppte sie einen ganzen Zentner Gips die Treppen hinauf“.
Dabei war die Lehrzeit für sie nicht so einfach, wie es die Berichte glauben machten. Obwohl Luisa Haldy gewitzt und frech war, fiel es ihr schwer, sich in der ruppigen, ungehobelten Handwerkswelt der Maurer- und Malerlehrlinge zurechtzufinden. Die jungen Männer in der Berufsschule ließen so manche Zote los und versuchten, sie zu beschämen und einzuschüchtern. Zwei Klein-Lehrlinge aus der Stuckateur-Klasse ernannten sich daraufhin zu ihren „Leibwächtern“ und geleiteten sie sicher durch die restliche Lehrzeit. Als Höhepunkt ihrer Ausbildung betrachtete Luisa die Restaurierung des Landesmuseums. Sie war im dritten Lehrjahr und durfte auf der Baustelle mitarbeiten. Luisa Haldy interessierte sich sehr für Geschichte und genoss es, „das ganze Museum für mich allein zu haben.“
Luisa fühlte sich ihrem Vater Hanns Nothhelfer sehr verbunden. Sie teilte seine Lebensfreude und den Spaß an schönen Dingen. Gemeinsam unternahmen sie viele Reisen. Sie lernte in den vornehmen Hotels die feine Lebensart. So war es nicht überraschend, dass sie im Betrieb die Aufgabe der „Eventmanagerin“ übernahm. Hanns Nothhelfer nutzte Feste und Partys für die Kunden- und Mitarbeiterbindung – und seine Tochter wurde zu seiner Organisatorin. Sie choreographierte die Hausbälle, für die die Firma Klein unter Architekten und Baudirektoren berühmt war. Zahlreiche Fotoalben zeigen ihre Kreativität in der Konzeption und Umsetzung dieser Veranstaltungen. Auch nach dem Tod ihres Vaters führte sie diese Aufgabe fort. Sie war die Botschafterin des Unternehmens und richtete die Jubilarehrungen und die Jubiläums- und Betriebsfeiern aus. Glückwünsche bei Geburtstagen, Hochzeiten und Geburten, Firmenpräsente für Geschäftskunden und Trauerkränze für Beerdigungen fielen ebenfalls in ihr Ressort.
Ein großer Teil des fotografischen Archivs der Firma Wilhelm Klein ist Luisa Haldy zu verdanken. Sie interessierte sich sehr für Architekturfotografie und begann, die Bauobjekte, an denen die Firma Klein arbeitete, zu dokumentieren. In den 70er Jahren übernahm sie zudem die Verwaltung der Familien- und Firmenimmobilien. Daraus ging später die Wilhelm Klein Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG hervor. Luisa Haldy verstand sich als Hüterin des Familienerbes. „Ich halte es wie Scarlett O’Hara in ‚Vom Winde verweht‘“, erklärte sie dazu. „Sie ist diejenige, die das Land ihrer Väter bewahrt.“ Bis kurz vor ihrem Tod 2016 verwaltete Luisa Haldy einen Teil der Familiengrundstücke.
Erst 1999 war es ihr vergönnt worden, eine Leitungsfunktion in der Firma Wilhelm Klein zu übernehmen. Ihre Mutter Barbara Nothhelfer übertrug ihr und Luisas Sohn Hanns-Michael Haldy die Generalvollmacht über den Betrieb. Zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich jedoch schon ab, dass die Familie das Malergeschäft nicht würde weiterführen können. Zwei Jahre später sah sich Luisa Haldy gezwungen, es zu verkaufen.